Ein sehr schöner Bericht in den Nordbayerischen Nachrichten vom 27.11.2023

anlässlich des 40. jährigen Jubiläums der Sportschule Moo Duk Kwan in Bad Windsheim und 40.jähriges Trainerjubiläums von Juergen Leitner , sowie 35. Jubiläum unseres Vereins Moo Duk Kwan e.V.

 

Sieben schwarze Gürtel

Taekwondo-Großmeister, Talente-Entdecker und Strippenzieher aus Franken: Das ist Jürgen Leitner
Von Stefan Blank

 

Jürgen Leitner auf den Matten seines sportlichen Wohnzimmers, des Asian Sports Centers in Bad Windsheim.
© Stefan Blank

 

BAD WINDSHEIM – Er zertrümmert Fluss-Kieselsteine mit der Handkante

oder Klinkersteine mit der Faust – Jürgen Leitner hat sieben schwarze

Gürtel und Bad Windsheim zur idyllischen Taekwondo-Hochburg gemacht.

Seine Leitmotive: Bescheidenheit, Disziplin, Respekt.

 

„Meister.“ Mit diesem Ehrentitel wird Jürgen Leitner angesprochen, wenn er

in seinem sportlichen Wohnzimmer weilt, dem Asian Sports Center von Bad

Windsheim – von Dreijährigen und fast 70-Jährigen. Knapp 1,76 Meter

groß, 79 Kilogramm schwer, ist das 62-jährige Taekwondo-Urgestein, doch

zum Feind haben möchte man ihn lieber nicht, das wird schnell klar.

Der in Grau-Schwarz gehaltene Gürtel von Jürgen Leitner zeigt: 7. Dan, siebter schwarzer Gürtel.
© Stefan Blank

 

Leitner ist eine Größe in der deutschen Taekwondo-Szene, hat bei

Bruchtests drei Zentimeter dicke Bretter mit den Fingerspitzen oder mit dem

Kopf, Klinkersteine mit Faust oder Innenhandkante und sogar Fluss-

Kieselsteine mit der Handkante zertrümmert. Doch in den vergangenen 40

Jahren hat der in Eschenbach bei Markt Erlbach geborene Geschäftsführer

einer Rohrreinigungs-Firma vor allem Bad Windsheim zu einer Taekwondo-

Hochburg gemacht, die quasi als Pendant zum SC Freiburg im Fußball gilt,

als idyllisches Vorbild für alle Taekwondo-Schulen in Deutschland.

 

EM-Titel und Bronze bei Jugend-Olympia

 

Die sportlich größten Erfolge feierte Jürgen Leitner als Trainer. Mit Daniel

Chiovetta formte er einen Bronzemedaillengewinner bei den Jugend-

Olympischen-Spielen 2014, mit Sabrina Nölp eine Europameisterin (2013).

Insgesamt holten seine Schützlinge 21 Deutsche Meistertitel und zahlreiche

Podestplätze sowie Siege bei internationalen Turnieren.

 

Angefangen hat Leitners Taekwondo-Laufbahn mit einer gefälschten

Unterschrift seiner Mutter für den Aufnahmeantrag in Emskirchen, erzählt

er, Vorher habe er geboxt. „Ich habe aber schnell gemerkt, dass das nicht

das ist, was ich will.“ Der Koreaner Cho Bok Nam, Träger des 9. Dan,

wurde in Nürnberg zu seinem Mentor. „Er hat schnell erkannt“, sagt Leitner

heute, „ich bin kein Talentierter, ich bin ein Verrückter.“

 

Verzicht auf Schwerbehinderten-Ausweis

 

Ein Tag ohne neue Herausforderung sei für ihn ein verlorener. Leitner biss

sich durch, obwohl er bei seinen ersten Turnieren mehrmals K.o. gegangen

sei. „Die haben mir die Nase platt gemacht und mehr“, erzählt der 62-

Jährige lachend. Ignoriert habe er auch, dass er aufgrund einer

Tuberkulose-Erkrankung ab dem Alter von 19 immer wieder einen

Schwerbehinderten-Ausweis hätte beantragen können.

 

Auch wenn Jürgen Leitner in Windsheim vor allem als Trainer und Großmeister in Erscheinung tritt,
hat er auf der Matte immer noch einiges drauf. © Privat

 

Leitner wurde unter anderem Trainer in Cho’s Akademie in Nürnberg. 1983 führten seine

Wege nach Bad Windsheim, als Taekwondo-Trainer, anfangs in einer

Schulturnhalle. „Ich wollte den Leuten zeigen, wie man sich wehrt.“ Sechs

Jahre später gründete er den Verein Moo Duk Kwan, 2006 wurde das Asian

Sports Center gebaut, das Leitner selbst als „einzigartige Sportanlage für

asiatischen Sport in Europa“ bezeichnet. In Nürnberg gebe es ein

Taekwondo-Leistungszentrum, aber „so eine Halle wie bei uns wirst Du in

Europa nicht finden.“

 

Internationale Top-Talente in Windsheim

 

Erste sportliche Erfolge stellten sich ein, doch Jürgen Leitner, der

unglaublich viel Herzblut in das Projekt steckte, plante viel größer. Mit dem

Kids-Cup, bei dem später „adidas“ einstieg, stampfte er ein Taekwondo-

Turnier aus dem Boden, das damals „wohl eines der größten Kinderturniere

weltweit“ war. Innerhalb von neun Jahren entwickelte es sich zu einer

Hausnummer in der Szene, der Umzug nach Erlangen und 2010 nach

Herzogenaurach war die Konsequenz. Insgesamt waren laut Leitner

Talente aus 40 Nationen auf den Matten.

 

Diese Basecap liegt im Regal in Jürgen Leitners Büro im Asian Sports Center.
©Stefan Blank

 

Das Turnier in der Heimat von „adidas“ war aber das letzte für Leitner. Der

Grund: eine abgerissene Herzklappe. „Die Ärzte haben mich nur unter der

Bedingung zu dem Turnier gelassen, dass ich gleich am Montag danach ins

Krankenhaus gehe und mich operieren lasse“, erzählt Leitner. Ob er

nochmal Sport treiben könne, war unklar. Drei Monate später stand Leitner

wieder auf der Matte.

 

Sehr, sehr streng und ultradiszipliniert

 

„Er ist Kämpfer durch und durch“, sagt Boris Zimmermann, Vorsitzender

und seit 30 Jahren enger Vertrauter Leitners im Bad Windsheimer Verein.

„Sport ist mein Leben“, sagt Leitner, der sich dann dem ehemaligen

Nationaltrainer Koreas, dem 9. Dan-Träger Ko Eui Min zuwandte. Mit

seinen 62 Jahren trainiert der Großmeister heute immer noch die meisten

der Taekwondo-Schüler selbst, ohne jedoch auf eigene Einheiten zu

verzichten.

 

Als „Meister“ in Bad Windsheim sei er „knüppelhart, aber lieb“, wie er sich

selbst als Trainer umschreibt. Das bestätigt auch Daniel Chiovetta,

ehemaliger deutscher Nationalkader-Athlet. Mit vier Jahren fing Chiovetta

unter Leitner mit der Taekwondo-Ausbildung an, kennt ihn als Kind und

Erwachsener. „Er war sehr, sehr streng und ultradiszipliniert“, erinnert sich

Chiovetta. Leitners Leitmotive: Disziplin, Respekt, Bescheidenheit.

 

„Zu jedem super kommt ein aber“

 

Im Laufe der Jahre wurde der „Meister“ für den heute 26-Jährigen zu einem

„Mentor und Freund“. Bei Siegen habe Leitner sofort angemerkt, was noch

besser werden müsse. „Zu jedem super kommt ein aber“, sagt Chiovetta.

Bei Niederlagen gab es schon einmal eine Umarmung und der Trainer habe

vor allem immer ein offenes Ohr gehabt. Bei Turnieren würde Leitner

„niemals groß aufsprechen“, sagt der Spitzensportler. „Er hat immer seine

Sportler mit Leistung sprechen lassen.“

 

Besondere Momente seien für Leitner gewesen, als Matthias Emmer 2003

den ersten Deutschen Meistertitel für den Verein einheimste, Sabrina Nölp

eine amtierende Europameisterin deklassierte, die Halle tobte und sie den

EM-Titel holte oder Daniel Chiovetta bei Jugend-Olympia Bronze

erkämpfte. „Das war schon der Hammer.“

 

Kein Mann für Kompromisse

 

Selbst Bundestrainer zu werden habe ihn nie gereizt, erzählt der 62-

Jährige, der auch sagt: „Ich bin kein einfacher Mensch, sage immer deutlich

meine Meinung. Und: Es interessiert mich nicht, ob ich beliebt bin.“ So

redet Leitner offen über Personen, mit denen er sich heftig zerstritten hat oder eine innige Feindschaft pflegt. Im Verband, der Taekwondo-Union sei

er aber „überall beliebt“, behauptet er.

 

So hoch wie Jürgen Leitner (1990) bekommen nicht viele Taekwondo-Sportler Bein und Fuß beim Ap Chagi.
© Privat

 

Womit Jürgen Leitner vor allem aneckt, ist seine Geradlinigkeit, berichtet

Gerd Kohlhofer, Präsident der Bayerischen und Vizepräsident der

Deutschen Taekwondo-Union (DTU). „Im Verbandswesen ist es halt ein

Geben und Nehmen – Kompromisse sind aber halt weniger seins“, sagt

Kohlhofer, der Leitner seit 30 Jahren kennt und als „guten Freund“

bezeichnet, mit einem Lachen. Der Erfolg gibt ihn aber Recht!

 

Für den Verband sei Leitner ein „sehr wichtiger Unterstützer im

Hintergrund“. Was nur wenige wissen: Der Bad Windsheimer zeichnet nicht

nur für das Layout der aktuellen Dan- und Kup- und Verbandsurkunden

verantwortlich, sondern auch für das der DTU-Pässe. Für ihn habe sich die

Sportart aber in eine falsche Richtung entwickelt. „Es ist in der Spitze ein

Elite-Sport geworden. Reiner Kommerz.“

 

Kein Gürtel für Geld

 

Daher setze Leitner mit seinem Asian Sports Center auf den Breitensport.

„Zurück zu den Wurzeln wäre das Beste“, sagt er. Ab nächsten Jahr wollen

die Windsheimer aber auch wieder zu Turnieren fahren.

 

Im Büro von Jürgen Leitner sind zahlreiche Trophäen zu finden.
© Stefan Blank

 

„Es gibt wohl keine fünf Schulen, die es ohne kommerzielle Gedanken so

lange machen wie wir.“ So erzählt der 62-Jährige von Eltern, die ihren

Kindern neue Gürtel zum Geburtstag schenken wollten, ohne nötige

Prüfung. „So was gibt es bei uns nicht. Wir haben noch nie einen Gürtel

verkauft.“ Zwar beschreibt er die Taekwondo-Szene als „große Familie“,

insgesamt „ist es aber schade, wie sich die Gesellschaft entwickelt hat“.

 

Bundesverdienstkreuz und Taxifahrer

 

So geht der überzeugte Alkohol-Verweigerer und zweifache Vater Jürgen

Leitner weiter seinen Weg. Mit der Devise: „Es gibt auf der Welt so

unglaublich viele unterschiedliche Charaktere – und von jedem kann man

etwas lernen.“ Als „klassischer Macher“, wie es Boris Zimmermann

formuliert, der ihn nach eigener Aussage für das Bundesverdienstkreuz

vorgeschlagen habe. Und als Mensch, der „auch ein ziemlich lockerer Typ

sein kann, zu dem man mit jedem Problem hingehen kann“, sagt Daniel

Chiovetta.

Im Garten des Asian Sports Centers probiert Jürgen Leitner auch immer wieder
unterschiedliche Kampfsport-Arten aus. © Privat

 

Die „Kunst, den Körper zu beherrschen“, so beschreibt Leitner Taekwondo,

wird ihn nicht mehr loslassen, auch wenn er die Bad Windsheimer Schule

gerne weitergeben würde und eine Mexikanerin sowie mehrere Vereins-

Urgesteine als mögliche Nachfolger nennt. Selbst will Jürgen Leitner noch

einmal in das Mutterland des Taekwondo, nach Korea, fliegen, was ihm

seine Ehefrau bisher verboten habe.

 

Dort will der Bad Windsheimer „Meister“ natürlich eine Trainingseinheit

absolvieren, auch wenn „in Korea jeder Taxifahrer einen 6. Dan hat“.  haha. Was

er dort lernt, will er mitnehmen und genauso weitergeben wie seine

Erfahrungen aus über 40 Jahren Trainer-Tätigkeit. Denn: Auch wenn Jürgen

Leitner Bruchtests inzwischen abgeschworen hat, wird er trotzdem – wie

Daniel Chiovetta es lachend formuliert – „auch noch mit dem Rollator noch

auf die Matte kommen“.